Rede zur Frauenkampftags-Demo in Trier

Am 8. März 2021 organisierte das Feministische Bündnis Trier eine Demo, an der circa 400 Menschen teilnahmen. Die Genossin Sigi hielt die Rede für SDAJ und DKP Trier:

Liebe Genoss*innen, liebe Freund*innen,

ich spreche heute für die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) und die Kommunistische Partei (DKP).

Die Unterdrückung der Frau hat eine lange Geschichte und zieht sich durch unzählige Generationen von Menschen. Ohne das Recht auf Arbeit, gebunden an den Haushalt, fristete die proletarische Frau lange Zeit ein Leben in absoluter Abhängigkeit vom Mann. Ohne Recht auf Arbeit, kein Einkommen. Ohne Einkommen, keine Unabhängigkeit.
Ein wichtiger Schritt hin zur Emanzipation von Frauen war also, dass Frauen auch einer Lohnarbeit nachgehen konnten, um damit finanziell und materiell unabhängig zu werden. Reichte der Lohn von Frauen damals nicht ansatzweise aus, sich selbst oder die Familie zu ernähren, legte die Berufstätigkeit der Frau jedoch den ersten wichtigen Grundstein zur Unabhängigkeit vom Mann.
Den Kapitalisten diente die Frau als noch billigere Arbeitskraft, die sie einsetzen konnten, um Waren kostengünstiger zu produzieren und sich so einen Vorteil gegenüber anderen Kapitalisten zu verschaffen. Das sorgte für eine verschärfte Konkurrenz zwischen Männern und Frauen, da Männer ihre Jobs verloren oder selbst mit Lohndumping zu kämpfen hatten. Durch permanent sinkende Löhne wurde das Arbeiten beider Geschlechter notwendig, um die Familie zu ernähren.

Die Profite wären natürlich ausreichend gewesen, doch die Spaltung zwischen Mann und Frau kam den Kapitalisten zu Gute. Die Männer sahen zu Beginn in der arbeitenden Frau eine Konkurrentin, statt eine Verbündete im Kampf gegen den gemeinsamen Ausbeuter – den Kapitalisten. Das führte zu einem schwereren Stand für Frauen in der Arbeiterbewegung, denn auch Gewerkschaften taten sich zunächst schwer, Arbeiterfrauen mit einzubeziehen.

Bis zu dem Zeitpunkt, an dem Frauen anfingen einer Lohnarbeit nachzugehen, war die bezahlte Produktionsarbeit in der Fabrik dem Mann zugeteilt und die unbezahlte Reproduktionsarbeit im Haushalt der Frau.

Natürlich bleibt aber auch weiterhin die Reproduktionsarbeit, also das Gebären der Kinder, die Erziehung und Versorgung dieser, die Hausarbeit, die Versorgung der Alten, also alles, was heute unter dem Begriff „Care – Arbeit“ zusammengefasst wird, nicht aus. Diese Aufgaben werden weiterhin mehrheitlich von Frauen übernommen. Doch mit dem verbindenden Element der Lohnarbeit, fingen Frauen an, sich als Teil der Arbeiterklasse zu begreifen, zu organisieren und gemeinsam mit ihren männlichen Genossen dem gemeinsamen Ausbeuter etwas entgegenzusetzen.

Dieser Weg war beiweilen kein leichter. Die Ungleichstellung der Frau zu verändern war der Anspruch des Frauenkampftags, der Kommunistin Clara Zetkin und ihrer Genossinnen. Sie hielten fest: „Im Einvernehmen mit den klassenbewussten politischen und gewerkschaftlichen Organisationen des Proletariats in ihrem Lande veranstalten die sozialistischen Frauen aller Länder jedes Jahr einen Frauentag, der in erster Linie der Agitation für das Frauenwahlrecht dient. […] Der Frauentag muß einen internationalen Charakter tragen und ist sorgfältig vorzubereiten.“

Unzählige Frauenstreiks, unzählige Demonstrationen später, ist der Kampf gegen patriarchale Strukturen, Vorurteile und Sexismus aber auch gegen die Ausbeutung im Kapitalismus ein bis heute nicht abgeschlossener Kampf – Darum stehen wir heute hier. Bereits erkämpfte Rechte werden permanent in Frage gestellt und auch die List der Benachteiligung, die Frauen erfahren, ist lang. Sexismus, häusliche und sexuelle Gewalt, schlechtere Bezahlung, höheres Armutsrisiko, Überbelastung durch Job und Haushalt. Ganz zu schweigen vom Pflegen der Alten oder die schlechteren Karten bei Job- und Wohnungssuche für alleinerziehende Mütter.

Doch warum lohnt sich dieser geschichtliche Blick auf die Anfänge der Kämpfe der Arbeiterinnenbewegung

Zunächst einmal, weil er aufzeigt, woher die Doppelbelastung der Frau historisch rührt und weil er erklärt, in welcher Tradition wir hier und heute den Frauenkampftag begehen. Während es richtig und wichtig ist, im hier und jetzt für Verbesserungen der Lebensqualität von Frauen zu kämpfen, dürfen wir nicht im Kampf um Reformen stehen bleiben. Was nützt eine gendernde Tagesschau, wenn zu Hause das Home Office, der Haushalt und das Home Schooling wartet? Was bringt der Applaus für die zumeist weiblichen Pflegekräfte, wenn danach keine Lohnerhöhung folgt? Solange sich für Frauen nichts an den materialistischen Gegebenheiten ändert, sind alle Reförmchen Tropfen auf dem heißen Stein. Mehr Frauen in Führungspositionen ist zwar eine begrüßenswerte Sache, doch die Forderung kann auch nicht lauten: „Mehr Frauen in Ausbeuterpositionen!“, sondern die Abschaffung der Ausbeutung an sich muss unser Ziel sein. Um die Frauen im Kampf gegen Ausbeutung zu stärken, statt sie selbst zu Ausbeutern zu machen, wären daher „Mehr Frauen in die Betriebs- und Personalräte“ oder „Mehr Frauen in die Gewerkschaftsführung“ sinnvolle Forderungen. Ob der Kapitalist im Vorstand der Deutschen Bank nun männlich oder weiblich ist, ändert nichts an dem Dasein als Unterdrücker.

Der Blick in die Ursprünge des Frauenkampftags zeigt aber auch, was das mächtigste Instrument der Kapitalisten ist: Die Spaltung. Noch immer werden die Interessen von Männern und Frauen gegeneinander ausgespielt. Sogenannte Frauenberufe werden im Durchschnitt deutlich schlechter bezahlt. Doch nutzen die Kapitalisten heute nicht mehr Frauen als Begründung für Lohndumping. Dieses Los ist heute den Geflüchteten und Arbeiter*innen aus dem Osten zugeteilt worden, die hier zu einem deutlich geringeren Lohn arbeiten müssen als deutsche Arbeiter*innen. Das führt zu rassistischen Stereotypen und der Angst, auf Grund billigerer Arbeitskräfte, den eigenen Job zu verlieren. Der ein oder die andere mag jetzt vielleicht ein Muster erkannt haben. Diesen Angriffen auf Teile der Arbeiterklasse gilt es unsere Solidarität entgegenzustellen und jedweden Versuch der Spaltung entschieden zurückzuweisen.

Vordenkerinnen wie Zetkin erkannten und analysierten, dass der Kampf gegen die Unterdrückung ein gemeinsamer ist – der Kampf der Arbeiterklasse. Dies zu vermitteln ist unsere Aufgabe als Kommunist*innen und so gilt es auch heute allen Spaltungsversuchen entschieden zu widersprechen – egal woher sie kommen. Unsere Spaltung verläuft nicht entlang unseres Geschlechts, unserer sexuellen Orientierung oder unserer Herkunft sondern zwischen oben und unten. Das heißt nicht, dass die Kämpfe verschiedener Unterdrückter sich nicht auch im Konkreten unterscheidet, aber ob trans ob cis, ob Mann ob Frau, ob Homo oder Hetero, ob Deutsch oder Migrantisch – nur wenn unsere Kämpfe gemeinsam geführt werden und wir uns nicht spalten lassen in den Grad unserer Unterdrückung, können wir der Spaltung, der Vereinzelung und der Ratlosigkeit immer neu aufkommender Probleme etwas entgegensetzen.

Dazu müssen wir runter vom Elfenbeinturm und raus aus den Individualkämpfen, raus aus der Szene Bubble und raus aus der eigens betriebenen Spaltung in unsere Unterschiede. Die Identitätspolitik, der sich viele Linke hingeben, ist ein Ausdruck fehlender Antworten auf die immer neuen Spielarten des Kapitalismus. Sie ist der Ausdruck des Verlusts der Anbindung der Linken an die Masse der Bevölkerung, des Verlusts des Klassenbewusstseins und spiegelt wieder, wie schlecht unsere aktuelle Situation als progressive Kräfte im imperialistischen Deutschland ist. Dieser Politik der Vereinzelung und Individualisierung gilt es etwas entgegen zu setzen.

Wie Rosa Luxemburg sagte: „Nicht durch Erzeugen einer revolutionären Hurrastimmung, sondern umgekehrt: Nur durch Einsicht in den ganzen, furchtbaren Ernst, die ganze Kompliziertheit der Aufgaben, aus politischer Reife und geistiger Selbstständigkeit, aus kritischer Urteilsfähigkeit der Massen kann die geschichtliche Aktionsfähigkeit des deutschen Proletariats geboren werden.“

Unser gemeinsamer Kampf muss daher ein klassenbewusster, feministischer, antifaschistischer, kurzum: ein sozialistischer Kampf sein. Um mit den Worten Alexandra Kollontais zu enden: „Ohne Sozialismus keine Befreiung der Frau. Ohne Befreiung der Frau kein Sozialismus.“