Haushaltsrede gegen den städtischen Haushalt von Idar-Oberstein

Wir dokumentieren die Haushaltsrede von Sonja Gottlieb, Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und der Fraktion DIE LINKE im Stadtrat von Idar-Oberstein vom. 11. Dezember 2019:

Liebe Mitglieder des Rates, meine Damen und Herren! In dieser Legislaturperiode habe ich den schwarzen Peter, für die Linke, am Ende der Rednerliste zu stehen, weil die Wähler so entschieden haben. Aber wie schnell sich Mehrheitsverhältnisse ändern können, wissen wir nicht erst seit der Thüringen Wahl und das kann sich auch schnell in Kommunalwahlen widerspiegeln.

Seit meiner ersten Haushaltsrede vor fünf Jahren hat sich nicht viel geändert. Die Städte sind chronisch unterfinanziert. Nur ist es jetzt nicht mehr Schäubles schwarze Null, sondern Scholzes schwarze Null. Während für Bildung, Soziales, Umweltschutz und Infrastruktur das Geld fehlt, will man die Rüstungsausgaben des Bundes auf 2% des Bruttoinlandsprodukts erhöhen. Ca. 85 Milliarden Euro sind das. Also alles eine Frage der Gewichtung, wo man Geld einsetzt. Unter solchen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ist der kommunale Haushalt eine wenig zuverlässige Größe. Würden Bund und Land die Kommune nicht nur mit Aufgabenüberschütten, sondern auch mit den zu ihrer Ausführung notwendigen finanziellen Mitteln, könnten Haushaltsberatungen auf einer soliden Grundlage erfolgen.

Während der Oberbürgermeister dazu gezwungen ist, ständig den Blick auf den Abbau der Schulden zu haben, blicken die Bürgerinnen und Bürger besorgt auf marode Brücken, löchrige Straßen, kaputte Treppen und Gehwege, fehlende Radwege. Man bemüht sich, den Kindern zwar weniger Schulden zu hinterlassen, hinterlässt aber dafür eine teils marode Infrastruktur. Um einige notwendige Bestandsausbaumaßnahmen und Brückensanierungen im Jahr 2020 durchführen zu können, muss die Stadt wieder neue Kredite aufnehmen. Das heißt weitere Verschuldung, mit oder ohne die Renovierung der Fußgängerbrücke am Kaufhaus Röther. In den roten Zahlen stünden wir auch, wenn wir alles sein ließen, was unsere Stadt ein Stück bürgerfreundlicher machen würde. Die Gewerbesteuereinnahmen sind in diesem Jahr rückläufig, aber ein unverzichtbares Mittel der kommunalen Finanzierung. Aber ohne einen finanziellen Rettungsschirm von Land und Bund wird keine verschuldete Kommune ihre Schulden los werden. Mit der finanziellen Rettung der Banken hat das ja auch geklappt.

2020 soll in die Unterhaltung der Datenverarbeitung, in die Digitalisierung der Verwaltung, in die IT-Infrastruktur der Schulen investiert werden. Es soll ein Klimaschutzkonzept erstellt werden, dessen Erstellung alleine schon 52 Tausend Euro verschlingt und dann ist noch nichts davon umgesetzt. Aber es sind alles schon länger überfällige Maßnahmen.In den Stadtteilen wartet man derweil auf bessere Verkehrsanbindung und Radwege, um das Auto stehen lassen zu können. Wir sollten uns ein Beispiel nehmen, wie andere Städte ihre Parkgebühren geregelt haben, nämlich mit freiem parken innerhalb der ersten halben Stunde.Man wartet darauf, dass dem Leerstand der Fußgängerzonen und dem Niedergang der Gastronomie ein Ende bereitet wird und hofft darauf, dass die Rahmenbedingungen von Seiten der Stadt optimiert werden.

Es ist schön zu sehen, dass im Haushalt für die Erneuerung von Spielplätzen Mittel in Höhe von 100 000 € veranschlagt sind.Wir bedauern aber, dass die Stadt nicht in der Lage ist, Kindertagesstätten selbst zu bauen und in eigener Regie zu führen, ohne die Kirchen als „Freie Träger“ in Anspruch nehmen zu müssen. Es besteht keine wirkliche Wahlfreiheit, das Kind auch konfessionsfrei zu erziehen, wenn nicht in allen Stadtteilen ausreichend städtische Kindergärten vorgehalten werden.Wichtig wären für alle Kitas Ganztagsangebote, ohne Schließungen über Mittag. Außerdem einkostenloses warmes und gesundes Mittagessen in allenKitas und Ganztagsschulen, für alle Kinder. Benötigt würde dafür natürlich ausreichend qualifiziertes Betreuungspersonal, (auch im Kleinkind Bereich) dass bei erhöhtem Krankenstand nicht gleich eine Überlastung der übrigen Mitarbeiter einher geht.

Das in diesem Haushalt in die Erneuerungen von Heizungsanlagen, die energetischen Sanierungen der Schul- und Verwaltungsgebäude, sowie der Sport und Mehrzweckhallen, investiert werden soll, ist nur zu begrüßen. Aber leider müssen viele andere Einrichtungen auf ihre Renovierung warten. Ich nenne hier mal beispielsweise das Stadttheater, mit dem unsere Stadt schonein Schmuckstück hat, an dem der Zahn der Zeit nagt.Hier müssten Mittel bereit gestellt werden um eine Instandhaltung zu gewährleisten, sonst ist es bald kein Schmuckstück mehr.

Die Stadt müsste durch Bund und Land in die Lage versetzt werden, Häuser die der Allgemeinheit nützlich sein könnten aufzukaufen und renovieren zu können. Es ist ja nicht so, dass keine leerstehenden Gebäude vorhanden wären. Aber wie kommt es, dass man uns beim Rundgang durch das Quartier fragt, in wessen Besitz welche Häuser sind? Hat die Stadtverwaltung darüber kein Register? Jetzt verfallen Gebäude um die es sehr schade ist, und manche dienen Spekulanten als Abschreibungsobjekte.So manches Haus könnte Menschen mit schmalem Geldbeutel Wohnraum bieten. Sozialer Wohnungsbau im Obersteiner Quartier, oder auch Studentenwohnungen würden benötigt, denn wir sind immerhin ein Standort der Fachhochschule.Wir brauchen Jugendräume in den Stadtteilen und das mit Sozialpädagogen.

Es ist lächerlich, was den Kommunen von Seiten der ADD in diesem Bereich zugebilligt wird. Wenn wir gegen Jugendkriminalität etwas tun wollen, bleibt nur der Weg Beschäftigung im Beruflichen wie auch im Freizeitbereich zu bieten. Auf dumme Gedanken kommen diejenigen, die nichts mit sich anzufangen wissen. Lebensqualität beinhaltet: Reguläre Arbeitsplätze, bedarfsorientierte Kitas und Schulen, Hilfe für Existenzgründer/innen, damit in der Stadt auch produziert werden kann. Gute Freizeitangebote, wohnungsnahe Einkaufsmöglichkeiten und ganz wichtig kulturelle Vielfalt, mit mehr Unterstützung der Vereine und Künstler/innen. Die Verteuerung der Saalmieten vor ein paar Jahren, dürfte für die Stadt nicht zu Mehreinnahmen geführt haben, nachdem die Vereine und Veranstalter jetzt überwiegend in die Kirchen ausweichen. So wird es auch mit dem Schwimmbad werden, wenn wegen erhöhter Eintrittspreise weniger Besucher kommen. Auch der immer älter werdenden Gesellschaft wird eigentlich kaum Rechnung getragen. Wir müssen es auch in dieser Stadt schaffen,betreutes Wohnen zu erschwinglichen Preisen zu ermöglichen. Dem Ärztemangel in den nächsten Jahren entgegenzuwirken, eine Aufgabe die immer Vordringlicher wird. Müssten nicht viel mehr Ruhebänke in den Straßen, auf den Plätzen, an den Waldwegen (die wir ja auch sträflich vernachlässigen) vorhanden sein? Müsste es nicht weit mehr behindertengerechte Ausstattungen geben? Bei unserer Abschlussbesprechung nach dem Quartier Rundgang blieb unsere Rollstuhlfahrerin außen vor, weil sie nicht die Treppen zum Flurschul-Gebäudehochfahren konnte. Was auch wieder belegt, wie wichtig ein Behindertenbeirat für die Stadt wäre.Ebenso wie der Integrationsbeirat, der am besten weiß, wo Handlungsbedarf besteht bei der Integration und Hilfe für Flüchtlinge.

Trotz defizitärem Haushalt, mit viel Fördermitteln des Landes, konnte in den letzten Jahren vieles aus unserem Masterplan 2030 erreicht werden. Es ist aber schade, dass deswegen auch oft nur das angegangen wird, was gefördert werden kann und alles andere aufgeschoben werden muss. Nur nebenbei sei hier die Toilettenproblematik an der Felsenkirche erwähnt.Mit der Aussage unseres OB: „Wenn Sie Vorschläge machen, sagen Sie wie wir es finanzieren sollen“ erstickt man im Vorfeld alle Ideen für eine lebenswertere Stadt.Letztendlich haben doch die Vorschläge, die trotzdem immer wieder gemacht wurden, unsere Stadt weitergebracht. Die Region setzt weiter falsche Prioritäten. Das Festhalten am Militärstandortist kontraproduktiv hinsichtlich nachhaltiger Entwicklung und sanftem Tourismus. Was nutzt ein Tor zum Nationalpark, was nutzen Schmuck und Edelsteine, wenn die Gäste der Schmuckstadt für Stunden Schieß- und Fluglärm ausgesetzt sind? Bei der notwendigen Felssanierung wird die ADD die geplanten Investitionskredite für den städtischen Anteil von 40% genehmigen. Nach unserer Meinung ist eine Kommune mit solchen Mammutprojekten finanziell vollkommen überfordert. Wir haben ja noch mehr Felsen im Stadtgebiet.Natürlich ist die Stadt in der Pflicht,den Haushaltsplan jährlich auszugleichen.Letztlich wird aber mit der starken Position der ADD als Aufsichtsbehörde die Demokratie ausgehebelt und kommunale Handlungsmöglichkeiten auf ein Mindestmaß reduziert. Hätten wir unsere vielen Ehrenämtler nicht, Menschen mit sozialem Gewissen,sähe es noch trauriger aus.Die Verwaltung hat in dem ihr gesteckten Rahmen gemacht, was sie tun konnte. Dafür herzlichen Dank von unserer Fraktion. Aber wir müssen diesem Schulden-Haushalt, der mit unserem sozialen Gewissen nicht in Einklang zu bringen ist, nicht zustimmen .

Bildnachweis: Sonja Gottlieb